Unangenehme Emotionen – nein danke? Wir alle haben einen instinktiven inneren Widerstand dahin zu gehen, wo es unangenehm ist. Wir vermeiden es nach Möglichkeit Emotionen wie Angst, Aufregung oder Ärger, Trauer, Traurigkeit, Scham oder Schuld spüren zu müssen.
Gerne greifen wir – oft unbewusst – auf gelernte Strategien zurück, um uns abzulenken: Essen, Joggen, Rauchen, Alkohol, Arbeiten, Social Media u.s.w. Kurzfristig fühlen wir uns dann erleichtert. Aber hilft uns das langfristig?
In diesem Artikel möchte ich erzählen, warum es Sie weiterbringt, sich Ihren schwierigen Emotionen und dem darunter liegendem Wissen zuzuwenden und wie das Ihren Heilungsprozess unterstützt.
Emotionen nicht spüren als Schutz
Vorweg ist es mir wichtig zu sagen, dass es Situationen im Leben gibt, da ist es ein Segen, wenn wir nichts spüren müssen. Unser autonomes Nervensystem ist einzig und allein daran interessiert, uns am Leben zu erhalten. Wenn diese Instanz, die wir mit unserem Verstand und unserem logischen Denken nicht beeinflussen können, der Ansicht ist, hier geschieht etwas, das wir nicht verkraften können, wird sie alles tun, um es für uns erträglicher zu machen. Dann werden wir von Gefühlen abgeschnitten oder verspüren keine Schmerzen.
Das entscheiden wir nicht bewusst, unser Nervensystem erledigt das für uns. Dieses Prinzip gilt für „kleinere“ Verletzungen genauso wie „große“.
Mir ist es wichtig zu vermitteln, dass dies ein Schutzmechanismus und eine völlig normale Reaktion Ihres Nervensystems ist. Ich erlebe immer wieder, dass es Klienten erleichtert, dies anzuerkennen und zu würdigen. Sie müssen dann nicht mehr denken, mit ihnen stimme etwas nicht. Je sicherer sich Ihr Nervensystem fühlt, desto eher wird es zulassen, dass sich Emotionen zeigen können. Erzwingen kann und sollte man es nicht.
Wozu soll das gut sein, unangenehme Emotionen zu spüren?
Die Emotionen sind ja alle da, auch wenn wir sie nicht wahrnehmen. Sie mischen im Untergrund mit und beeinflussen, wie wir unser Leben leben, welchen Blick wir auf die Welt haben. Und das merken wir nicht einmal.
Vielleicht versuchen wir laufend es anderen recht zu machen, weil wir nie gelernt haben, unseren Ärger zu spüren und unsere Grenzen zu wahren. Als Kind war das überlebenswichtig, aber heute? Oder wir werden schnell genervt und wütend und es ist uns gar nicht klar, dass eigentlich an eine alte Angst gerührt wird.
Es gibt diese schöne Metapher von dem Reiter – das sind wir – und dem Pferd – das sind unsere Emotionen. Die Frage ist: Reiten wir das Pferd oder reitet das Pferd uns?

Eng verknüpft mit unterdrückten Emotionen sind traumatische Erfahrungen. Kennzeichnend für ein Trauma ist, dass unser Körper sich weiterhin in Gefahr wähnt und schnell alarmiert ist. Dann hält er ganz viel, unsere Musklen sind angespannt, unsere gesamte Biochemie ändert sich und körperliche oder seelische Symptome sind langfristig vorprogrammiert.
Unser Verstand weiß zwar, dass die Gefahr vorüber ist, aber in unserem Nervensystem ist das noch nicht angekommen, weil unser Nervensystem \“Denken\“ nicht versteht. Unser Nervensystem versteht Körperempfindung.
In Kontakt mit unangenehmen Emotionen zu kommen ist schwer, weil so viel Schmerz damit verbunden ist. Aber wenn wir lernen mit ihnen zu sein, ohne dass wir dabei den Boden unter den Füßen verlieren, hilft uns das, die Kontrolle über unser Leben zurückzubekommen. Wir werden wieder Reiter und geben den Ton an.
Wozu Emotionen verkörpern und ausdehnen?
Emotionen drücken sich immer in einem Körpergefühl aus, das weiß schon der Volksmund:
- etwas schnürt mir die Kehle zu
- ich habe einen Kloß im Hals
- mir sitzt was im Nacken
- das nimmt mir den Atem u. s. w.
- bei Freude hüpft mir das Herz in der Brust oder es schlägt mir im Hals bei Aufregung
- ich stehe mit beiden Beinen fest auf dem Boden oder das zieht mir den Boden unter den Füßen weg
Die Verkörperung von Emotionen ist ein sehr hilfreicher Weg, um schmerzhafte Erfahrungen und Trauma zu verarbeiten.
Verkörperung bedeutet buchstäblich sich dem Körper zuzuwenden und neugierig zu erforschen, was Sie spüren. Was nehmen Sie wahr, wenn Sie an dieses Ereignis denken? Wenn das schwer zu beschreiben ist, können Sie erstmal nachspüren, ob sich Ihr Körper insgesamt eher angenehm oder eher unangenehm anfühlt. Vielleicht können Sie spüren, dass Ihr Atem frei fließt oder eben nicht.
Emotionen, die Sie im Körper halten und ausdehnen können, werden erträglicher. Wie das? Nehmen wir das Beispiel Trauer: Ihr Herz tut weh und Sie spüren den Schmerz als Enge in der Brust. In der Therapie kann ich Sie bitte, Ihre Aufmerksamkeit darauf zu richten, diesen Schmerz sich körperlich ausdehnen zu lassen, so dass er mehr Raum in der Brust einnimmt. Und dann gibt es vielleicht noch eine 2. Stelle, an der Sie die Trauer spüren können, wenn z.B. der Bauch ganz fest und angespannt ist. Im weiteren Verlauf der Sitzung kann diese Emotion sich dann bis in die Beine ausdehnen.
Tatsächlich ist es erleichternd, wenn dieses Gefühl der Trauer nicht nur an einer Stelle sitzt, sondern sich im Körper verteilen kann. Dann trägt nicht einer alleine die Last, sondern es packen mehrere mit an.
Fazit
Es gibt mehrere Studien, die belegen, dass eine Toleranz für schwierige Emotionen sich auf verschiedene Ebenen unseres Lebens positiv auswirkt:
- Kognition
- Entscheidungsfindung
- Verhalten
- in Beziehungen
Es wäre fahrlässig zu sagen, dass jede einfach alle Emotionen spüren sollte, die sie hat. Insbesondere im Traumakontext bedarf es einer gewissen Stabilität, um sehr kleinschrittig mit schmerzhaften Emotionen in Kontakt zu kommen und langsam die eigene Fähigkeit, sie zu halten, auszubauen.
Haben Sie dazu Fragen? Schreiben Sie mir eine E-Mail. Ich freue mich auf Ihre Nachricht.
2 Kommentare zu „Unangenehme Emotionen braucht kein Mensch, oder etwa doch?“
Liebe Stefanie,
ich mag das Thema sehr, denn es gehört zu uns Menschen dazu. Leider verstecken sich soviel Menschen und wollen da nicht hinsehen, wenn es um Wut, Trauer, Angst geht.
Um so mehr wir darüber Bescheid wissen, um so besser können wir mit uns oder den Mitmenschen umgehen! Ich freue mich auf weitere Beiträge! ☀️❤️Liebe Grüße Sue
Liebe Sue, danke für Dein Feedback. Es ist nicht einfach, sich diesen Themen zuzuwenden. Schön, dass du auf dem Weg bist!