3 wirkungsvolle Strategien, wie du besser mit chronischen Schmerzen umgehen und deine Selbstwirksamkeit wiederfinden kannst

Vor Jahren habe ich Christiane Wolfs Buch „Achtsamkeit und Selbstmitgefühl bei chronischen Schmerzen“ gelesen und mich gefreut, sie kürzlich im Webinar zum gleichen Thema zu erleben. Christiane ist Ärztin und Achtsamkeitslehrerin. Vieles von dem, was sie vermittelt, deckt sich mit meinem körpertherapeutischen Ansatz. Da so viele Menschen mit chronischen Schmerzen leben, möchte ich hier ein paar der im Webinar besprochenen Anregungen zum Umgang mit Schmerzen teilen und hoffe, dass du sie hilfreich findest.

Einfluss von Gedanken und Emotionen auf Leid erkennen und besser umgehen mit chronischen Schmerzen

Schmerz ist eine subjektive Erfahrung. Wie sehr du darunter leidest, hängt nicht alleine von der Intensität des Schmerzes ab. Leid ist nicht gleich Schmerz. Die Geschichten, die du dir selbst in Bezug auf deine Schmerzen erzählst und deine Emotionen beeinflussen dein Leid und können es verschlimmern oder lindern. Wie sehr belasten dich die Schmerzen? Wie sehr haderst du? Wie groß sind deine Sorgen oder Zukunftsängste rund um deine Symptome? Wie ärgerlich bist du innerlich und willst alles weghaben?

  • Warum ich?
  • Womit habe ich das verdient?
  • Was, wenn das nie besser wird?
  • Wie werde ich diese Schmerzen schnell wieder los?
  • Bloß nicht Auto fahren, sonst wird es schlimmer.
  • Wird das denn nie besser?

In der Achtsamkeitspraxis gilt folgende Formel: Leiden = Schmerz multipliziert mit Widerstand oder Sorge

Deine Sorgen, dein Kummer und dein Frust sind völlig verständlich, nur alarmieren sie dein Nervensystem. Du verstärkst dadurch unabsichtlich das, was du loswerden möchtest: deine Schmerzen. Es lohnt sich, dein inneres Bedrohungsniveau im Körper runterzufahren. Jede Beruhigung kann sich lindernd auf deine Symptome auswirken.

Vielleicht fühlst du dich von deinem Körper verraten oder deinen Schmerzen ausgeliefert – wie du mit ihnen umgehst und was du über sie denkst, darauf hast du jedoch Einfluss! Das soll keine Schuldzuweisung sein, im Gegenteil. Hier ist ein Weg, aus der Hilflosigkeit heraus wieder in eine Selbstermächtigung zu kommen, was ebenfalls deinen inneren Alarm beruhigt.

Zu dem positiven Effekt eines regulierten Nervensystems auf Schmerzen kann ich dir ein ganz aktuelles Beispiel erzählen: Erst gestern kam ein Klient in die Praxis, der immer wieder mit starken Rückenschmerzen zu kämpfen hat. In der Sitzung haben wir eine bestimmte Situation aufgearbeitet, die ihn belastete. Der Klient fühlte sich erleichtert. Er nahm sich Zeit dem nachzuspüren und zu erkunden, wie und wo er diese Erleichterung im Körper wahrnahm. Nach einer kleinen Weile sagte er verwundert: „Meine Rückenschmerzen sind weg!“

Übung: Die Körperempfindung von Schmerz und Widerstand unterscheiden lernen

Es kann schwierig sein, direkten Einfluss auf deine Schmerzen zu nehmen. Was du jedoch jederzeit tun kannst, ist mit deiner Bewertung und deinem inneren Widerstand zu arbeiten. Hier ist eine kleine somatische Übung:

Wähle einen Moment, in dem deine Schmerzen nicht zu stark sind. Entscheide dich dazu, bewusst in deinen Körper zu spüren, auch wenn es unangenehm ist. Frag dich, was an diesem Unangenehmen ist der Schmerz selbst und welche Empfindung ist eher der inneren Wappnung gegen die Schmerzen, also deinem Widerstand oder deinen Sorgen geschuldet?

Wie nimmst du diesen Widerstand wahr? Vielleicht als Enge in der Brust oder als flache Atmung? Was passiert, wenn du dieses Symptom einen Augenblick neugierig beobachtest? Was wäre die gegenteilige Empfindung von Enge? Verändert sich etwas?

Oft merken wir einfach nur, dass es uns gerade nicht gut geht, ohne unsere Erfahrungen zu differenzieren. Ziel der Übung ist ein neugieriges Erforschen deines Empfindens im jeweiligen Augenblick. Was macht diesen Moment so schlimm? Sind es vielleicht deine Gedanken? Denen musst du ja nicht alles glauben!

Diesen kleinen Check kannst du mehrmals am Tag durchführen, um dir klar darüber zu werden, wie du deine Schmerzen wahrnimmst. Und während du dich deinen Körperempfindungen zuwendest, sag dir gleichzeitig, dass es jetzt gerade ungefährlich ist. Auch hier geht es wieder darum, dass Bedrohungsszenario in deinem Körper zu besänftigen.

Schreib mir gerne wie deine Erfahrungen mit dieser Übung sind.

Selbstmitgefühl hilft dir bei chronischen Schmerzen

Die Wissenschaftlerin Dr. Kristin Neff hat mit ihren Forschungen bewiesen, dass Selbstmitgefühl Wohlbefinden und Resilienz verbessert und beim Umgang mit Schwierigkeiten bestärkt. Für Kristin Neff setzt sich Selbstmitgefühl aus drei Komponenten zusammen:

  1. Selbstfreundlichkeit
  2. gemeinsame Menschlichkeit
  3. Achtsamkeit statt Identifikation

Selbstfreundlichkeit

Ich hatte es schon in meinem Praxisrückblick vom September kurz erwähnt: Freundlich zu dir selbst zu sein tut gut bei chronischen Schmerzen und bei anderen Beschwerden. Du kennst vermutlich das wohltuende Gefühl, wenn du einem lieben Menschen dein Herz ausschüttest und sie sagt: „Das muss sehr schwer für dich sein!“ Ein mitfühlendes Wesen an unserer Seite zu haben, das uns sieht und nicht urteilt, ist eine Wohltat. Dieses Mitgefühl kannst du dir auch selber entgegenbringen. Du kannst dir etwa deine Hände auf Brust und Bauch legen, um dir Zuwendung zu geben.

Hände auf Brust und Bauch legen tut gut!

Gemeinsame Menschlichkeit

Selbstmitgefühl beinhaltet auch zu erkennen, dass Schmerz und Leid menschliche Erfahrungen und Bestandteil des Lebens sind. Jeder Mensch wird im Laufe seines Lebens Schmerz und Leid erfahren. Du bist damit nicht alleine. Dir das zu vergegenwärtigen, kann sich erleichternd anfühlen und dich aus der Isolation herausholen. „Geteiltes Leid ist halbes Leid“ weiß schon der Volksmund.

Achtsamkeit statt Identifikation

Achtsam mit Schmerzen umzugehen bedeutet, im jeweiligen Moment zu sagen: „Ja, da sind gerade Schmerzen und das ist schwer“ Die Schmerzen anerkennen, dich ihnen zuwenden und dir erlauben sie zu fühlen, statt sie weghaben zu wollen ist nicht einfach. Es kann erleichternd sein, denn auch hier gehst du nicht in einen Widerstand zu deinem Körper, sondern nimmst ihn so wie er gerade ist.

Wenn du mehr über Selbstmitgefühl erfahren möchtest, schau doch auch mal bei Christopher Germer vorbei. Er und Kristin Neff arbeiten zusammen und beide haben Bücher zum Thema geschrieben. Ich liebe die geführten Meditationen von Germer, die du auf seiner Website finden kannst.

Entwicklungstrauma: Überwältigung kann zu chronische Schmerzen führen

Leider fällt es vielen Menschen zwar leicht, anderen gegenüber Mitgefühl zu empfinden, sich selbst mit Mitgefühl zu begegnen ist dagegen schwierig. Vielleicht kennst du das auch von dir? Sprichst du freundlich mit dir selbst, wenn es dir nicht gut geht, oder bist du streng und sagst dir Sätze wie „Stell dich nicht so an“? Vielleicht hast du als Kind nicht lernen können, liebevoll mit dir umzugehen? Kinder nehmen alles persönlich. Wenn sie sich von Eltern nicht gesehen und gewertschätzt fühlen, ziehen sie daraus den Schluss, nicht liebenswert zu sein. Sie geben sich die Schuld daran, wenn sie nicht gesehen oder nicht gut behandelt werden.

Chronische Schmerzen ebenso wie chronische Erkrankungen können die Folge von frühem, anhaltendem Stress sein. Wir sprechen hier von einem Entwicklungstrauma. Vielleicht interessiert dich auch die ACE-Studie, die erste bahnbrechende Untersuchung, die eindeutig belegt, dass chronischer Stress in der Kindheit das Risiko für unterschiedlichste Erkrankungen im späteren Leben erhöht.

Trauma ist ja gekennzeichnet durch Angst in Verbindung mit Hilflosigkeit, Ohnmacht und Kontrollverlust. Die drei beschriebenen Strategien können vielleicht nicht deine Schmerzen auflösen, sie können dir aber ein Gefühl von Handlungsfähigkeit und Kontrolle wiedergeben. Dadurch aktivierst du den Teil deines autonomen Nervensystems, der Heilung unterstützt!

Komm gerne in meinen Newsletter für Interessantes rund um dein Nervensystem und Trauma!

Bild von Stefanie Wittiber-Schmidt

Stefanie Wittiber-Schmidt

Heilpraktikerin, Somatic Experiencing, Rolfing Strukturelle Integration, Integrale Somatische Psychologie

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