Was bedeutet Fawning? Was ist der Bambi-Reflex?

Hast du schon mal von Fawning gehört oder vom Bambi-Reflex? Kampf, Flucht oder Erstarrung als Reaktion auf eine bedrohliche Situation sind vielen bekannt. Es gibt aber noch eine weitere Möglichkeit, auf Bedrohung und Gefahr zu reagieren: mit Fawning. Man spricht hier auch vom Bambi-Reflex!

Es war der Psychotherapeut Pete Walker, der den Begriff „Fawning“ als Reaktion auf Trauma geprägt hat.

Was ist Fawning?

Fawning beschreibt ein gelerntes, angepasstes Verhalten. Um Gefahr von dir abzuwenden, stellst du die Bedürfnisse anderer an die erste Stelle. Deine Wünsche und Bedürfnisse hältst du zurück und manchmal geht das so weit, dass du dich selbst dabei verlierst. Fawning ist keine Schwäche und kein Makel. Im Gegenteil. Fawning ist eine sehr effektive Überlebensreaktion auf traumatischen Stress.

Ich habe meinen Wert oder meine Bedeutung nicht in sicheren und fürsorglichen Umgebungen erfahren, daher hat mein Körper gelernt zu fawnen – zu versuchen, andere Menschen glücklich zu machen oder ihre Anerkennung zu gewinnen –, um mir selbst zu beweisen, dass ich würdig oder wertvoll bin.

Ingrid Clayton

Fawning zeigt sich etwa 

  • in einem schnellen „Entschuldigung“, auch wenn es eigentlich nichts zu entschuldigen gibt
  • in „gut erzogen“ und immer höflich sein
  • in der Vermeidung von Konflikten
  • in der Schwierigkeit, klare Grenzen zu setzen
  • in der Unsicherheit, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse zu erkennen 
  • bis hin zu völliger Selbstaufgabe und Aufopferung für Familie oder Beruf
Rehkitz zusammengekauert; Foto: Erika Fletcher

Fawning als Reaktion auf Entwicklungstrauma

Wenn du als Kind in einem Umfeld lebst, in dem deine Bedürfnisse nicht ernst genommen werden, wenn du mit Kränkung, Zurückweisung, körperlicher oder sexueller Gewalt rechnen musst, rettet dich dein Nervensystem, indem es dich das tun lässt, was unter diesen Umständen die größtmögliche Sicherheit verspricht: es hilft dir dafür zu sorgen, dass es deinem Gegenüber möglichst gut geht. Denn wenn es dem anderen gut geht, lässt er dich vielleicht in Ruhe, besteht für dich weniger Gefahr zur Zielscheibe von Kritik oder Gewalt zu werden.

Fawn bedeutet im Englischen Rehkitz. Und was verbindest du mit einem Rehkitz, mit einem Bambi, außer dass es niedlich ist? Es ist ungefährlich und hilflos. Indem du dich selbst zurücknimmst, dich möglichst unauffällig verhältst und dein Gegenüber beschwichtigst, verringerst du das Risiko, Beschämung, Aggression oder Übergriffe erleben zu müssen. 

Fawning und dein Nervensystem

Bei Gefahr mobilisiert dein Körper zuerst einmal Energie für Kampf oder Flucht. Sind weder Kampf noch Flucht mögliche Optionen, und als Kind hast du keine Wahl, kippt dein Nervensystem in eine Erstarrung oder einen Kollaps. In diesem Zustand fehlt Energie, um zu handeln und um dich zu wehren. Wir sprechen hier auch vom Totstell-Reflex. Unter der Erstarrung liegt jedoch immer noch die hohe Aktivierung. Der Stress hat sich nicht aufgelöst. In deinem Körper fühlt es sich an, als stehe ein Fuß auf dem Gaspedal während der andere die Bremse betätigt.

Fawning ist keine reine Erstarrung. Energie für Kampf oder Flucht steht dir zwar nicht zur Verfügung, jedoch ist gerade genug Energie da, um besänftigend auf dein Umfeld einwirken zu können. Das ist keine bewusste Entscheidung, die du triffst, sondern eine instinktive Überlebensreaktion. Aus der Polyvagal-Brille betrachtet sind sowohl dein dorsaler Vagusnerv als auch dein sympathisches Nervensystem aktiv.

Fawning überwinden mit Traumatherapie

Dieses einmal verinnerlichte Verhalten, das sich in deiner Kindheit als so sinnvoll erwiesen hat, ist eine Traumareaktion. Sie begleitet dich weiterhin, selbst wenn die äußeren Umstände sich verändert haben und du erwachsen geworden bist. Kognitiv erkennst du, dass dir nichts passieren kann, wenn du heute deine Meinung klar vertrittst, für dein Nervensystem fühlt es sich jedoch völlig anders an.

Der Weg zur Veränderung besteht darin, deinem Nervensystem zu vermitteln, dass es jetzt sicher ist. Dabei kann dir beispielsweise körperorientierte Traumatherapie helfen, die über die Arbeit mit Körperempfindungen dein Reptiliengehirn und dein limbisches Gehirn beruhigt und dich unterstützt, mit deiner angeborenen Lebenskraft wieder in Verbindung zu kommen.

Meld dich gerne zu meinem Newsletter an, wenn du mehr über das Nervensystem oder körperorientierte Traumatherapie lesen möchtest.

Über mich

Ich helfe Menschen mit akuten und chronischen Schmerzen, einen liebevollen Zugang zu ihrem Körper zu finden und ihre Selbstwirksamkeit und Lebensfreude zurückzugewinnen. 

Weitere Themen:

Bild von Stefanie Wittiber-Schmidt

Stefanie Wittiber-Schmidt

Heilpraktikerin, Somatic Experiencing, Rolfing Strukturelle Integration, Integrale Somatische Psychologie

Diesen Artikel weiterempfehlen:

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen