Hast du schon mal von Fawning gehört oder vom Bambi-Reflex? Kampf, Flucht oder Erstarrung als Reaktion auf eine bedrohliche Situation sind vielen von euch bekannt. Es gibt aber noch eine weitere Möglichkeit, auf Bedrohung und Gefahr zu reagieren: mit Fawning. Man spricht hier auch vom Bambi-Reflex!
Fawning entwickelt sich als Reaktion auf unsichere Beziehungen, in denen Beschwichtigung die einzige Möglichkeit war, für dich zu sorgen. Das hat dich tief geprägt und selbst heute, als Erwachsene, fühlst du dich nicht sicher. Du wirst sofort unruhig, sobald du eine Missstimmung wahrnimmst. Du hast Angst, zuviel zu sein und du hältst dich mit deinen Wünschen und Bedürfnissen zurück.
Es war der Psychotherapeut Pete Walker, der den Begriff „Fawning“ als eine Reaktion auf Entwicklungstrauma geprägt hat.
Zusammenfassung
Fawning, auch Bambi-Reflex genannt, ist ein unbewusstes Überlebensmuster, das entsteht, wenn ein Kind lernt, durch Beschwichtigung sicherer zu sein. Dieses Muster ist keine Schwäche, sondern die kluge Anpassung deines Nervensystems an unsichere Beziehungen. Heute zeigt es sich als People Pleasing, Schwierigkeiten Grenzen zu setzen und der Angst, „zu viel“ zu sein. Heilung beginnt, wenn dein Körper spürt, dass du jetzt sicher bist und du Schritt für Schritt lernst, deine eigenen Bedürfnisse wieder wahrzunehmen.
Was ist Fawning und wie entsteht es?
Fawning beschreibt einen Zustand ständiger Wachsamkeit, um potentieller Gefahr möglichst frühzeitig, durch Beschwichtigung, entgegenwirken zu können. Fawning entsteht in Beziehung zu anderen Menschen, oft den Eltern oder anderen Bezugspersonen. Verhalten diese sich emotional, körperlich oder sexuell missbräuchlich, setzt du alles daran, sie möglichst milde zu stimmen, um so Gefahr von dir abzuwenden.
Du bist ständig auf der Hut und entwickelst feinste Antennen für ihre Stimmung und dafür, was sie brauchen könnten. Du lernst, dass es sicherer für dich ist, deine Wünsche und Bedürfnisse zurückzuhalten und manchmal geht das so weit, dass du dich selbst dabei verlierst. Dieses Verhalten wird auch als People Pleasing bezeichnet. Fawning ist keine Schwäche und kein Makel, sondern eine unbewusste Anpassungsstrategie deines Nervensystems.
Ich habe meinen Wert oder meine Bedeutung nicht in sicheren und fürsorglichen Umgebungen erfahren, daher hat mein Körper gelernt zu fawnen – zu versuchen, andere Menschen glücklich zu machen oder ihre Anerkennung zu gewinnen –, um mir selbst zu beweisen, dass ich würdig oder wertvoll bin.
Fawning entsteht in Beziehungen mit einem Machtgefälle und es verwundert dich vermutlich nicht, dass überwiegend Frauen davon betroffen sind. Fawning passt grundsätzlich zur Rolle der fürsorglichen, freundlichen Frau in unserer patriarchalen Gesellschaft. Rollenclichés und Entwicklungstrauma gehen dann nahtlos ineinander über.
Manche Menschen leben in einer chronischen Fawning-Reaktion, andere erleben Fawning in bestimmten Situationen.
Fawning bedeutet:
- es fällt dir schwer, Grenzen zu setzen
- du vermeidest Konflikte
- deine eigenen Wünsche und Bedürfnisse sind dir nicht klar
- du hältst deine eigenen Bedürfnisse für nicht so wichtig
- du übernimmst emotionale Verantwortung für andere Menschen
- du kannst nicht nein sagen, wenn jemand mit einer Bitte an dich herantritt
- du entschuldigst dich häufig, auch wenn es nichts zu entschuldigen gibt

Fawning ist eine Schutzreaktion deines Nervensystems
Fawn bedeutet im Englischen Rehkitz. Und was verbindest du mit einem Rehkitz, mit einem Bambi, außer dass es niedlich ist? Es ist ungefährlich und hilflos. Indem du dich selbst zurücknimmst, dich möglichst unauffällig verhältst und dein Gegenüber beschwichtigst, verringerst du das Risiko, Beschämung, Aggression oder Übergriffe erleben zu müssen.
Bei Gefahr mobilisiert dein Körper zuerst einmal Energie für Kampf oder Flucht. Sind weder Kampf noch Flucht mögliche Optionen, und als Kind hast du keine Wahl, geht dein Nervensystem einen Schritt weiter und führt dich in eine Erstarrung oder einen Kollaps. Auch dies ist ein Überlebensmechanismus, gespeist aus der Hoffnung, dass es für dich möglichst gut ausgeht, wenn du dich so unauffällig wie möglich verhältst. Unter der Erstarrung liegt jedoch immer noch die hohe Aktivierung. Der Stress hat sich nicht aufgelöst. In deinem Körper fühlt es sich an, als stehe ein Fuß auf dem Gaspedal, während der andere die Bremse betätigt.
Fawning ist keine reine Erstarrung. Energie für Kampf oder Flucht steht dir zwar nicht zur Verfügung, jedoch ist gerade genug Energie da, um besänftigend auf dein Umfeld einwirken zu können. Das ist keine bewusste Entscheidung, die du triffst, sondern eine instinktive Überlebensreaktion. Aus der Polyvagal-Brille betrachtet sind sowohl dein dorsaler Vagusnerv als auch dein sympathisches Nervensystem aktiv.
Fawning überwinden mit Traumatherapie
Dieses einmal verinnerlichte Verhalten, das sich in deiner Kindheit als so sinnvoll erwiesen hat, ist eine Traumareaktion. Sie begleitet dich weiterhin, selbst wenn die äußeren Umstände sich verändert haben und du inzwischen erwachsen geworden bist. Kognitiv erkennst du, dass dir nichts passieren kann, wenn du heute deine Meinung klar vertrittst, für dein Nervensystem fühlt es sich jedoch völlig anders an.
Der Weg zur Veränderung besteht darin, deinem Nervensystem zu vermitteln, dass es jetzt sicher ist. Dabei kann dir körperorientierte Traumatherapie helfen. Durch die Arbeit mit Emotionen und Körperempfindungen können sich dein Reptiliengehirn und dein limbisches Gehirn beruhigen und du kommst wieder mit deiner angeborenen Lebenskraft in Verbindung.
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