Schwindel überwinden mit Somatic Experiencing: eine persönliche Erfahrung

Nächste Woche jährt sich zum zweiten Mal der Tag, an dem ich morgens mit Schwindel aufwachte, den ich erst 4 Tag später, genauer gesagt einen Tag vor Heilig Abend, wieder los wurde.

Möglicherweise kennst du diese Geschichte schon, ich hatte sie in meinem Jahresrückblick 2022 kurz erzählt. Jetzt habe ich mich entschlossen, ihr einen eigenständigen Blogartikel zu widmen, weil sie so anschaulich die heilsame Wirkung von Vollendung und Entladung zeigt, einem zentralen Prinzip der Arbeit mit Somatic Experiencing.

Dein Körper speichert Stress und Trauma

Vor fast 2 Jahren, kurz vor Weihnachten, bin ich nach dem Weckerklingeln morgens noch einmal eingeschlafen, um dann eine Stunde später aus einem Albtraum zu erwachen: Ich versuchte eine enge, geschlossene Jacke über Kopf auszuziehen, was mir nicht gelang. Mit dem leicht panischen Gefühl von „ich hänge fest und kann nicht richtig atmen“ wachte ich auf.

Als ich danach aufstehen wollte war mit schwindelig und der Schwindel blieb 4 Tage. Im ersten Augenblick hatte ich mich noch gefragt, ob das mit dem Traum zusammenhängen könnte, diesen Gedanken in den nächsten Tagen jedoch völlig vergessen.

Eine Ärztin bestätigte mir, dass es sich weder um Lagerungsschwindel, noch um einen Hörsturz handele – helfen konnte sie mir aber nicht.

3 Tage später und 2 Tage vor Heilig Abend, war mir immer noch schwindelig und dazu leicht übel. Tannenbaum kaufen machte wenig Spaß und wir haben ernsthaft darüber nachgedacht, unsere Pläne für die Feiertage abzublasen.

Vervollständigung der unterbrochenen Stressreaktion

Am gleichen Abend fand das monatliche Zoom-Treffen meiner Somatic Experiencing Intervisionsgruppe statt. In der üblichen Einstiegsrunde erzählte ich von meiner Woche mit Schwindel, woraufhin meine Kollegin Birgit sagte, „du kommst mir gerade so vor, als stecktest du hilflos fest.“

Dieser Satz erinnerte mich natürlich sofort an meinen Traum, den ich bereits vergessen und von dem ich auch nichts erzählt hatte. Instinktiv wusste ich, dass meine Kollegin damit ins Schwarze getroffen hatte.

Zieh die Jacke doch jetzt aus“ meinte Birgit, und genau das habe ich gemacht: mich mit ausgestreckten Armen vorgebeugt, mir vorgestellt, mein Mann ziehe an der Jacke und mich rückwärts ruckelnd daraus befreit.

Entladung von im Körper gebundener Stressenergie

Mein Körper reagierte auf die Befreiung mit leichten Vibrationen und unwillkürlichen Mikrobewegungen meiner Halswirbelsäule. Es folgten Streck- und Dehnimpulse meiner Arme, denen ich nachgab und viele, viele Gähner, mit denen mein Körper weitere Spannung abbaute.

Die Übelkeit verschwand noch am gleichen Abend, der Schwindel war am nächsten Tag deutlich besser, am übernächsten Tag – Heilig Abend – vollständig weg. Meine Kollegin hatte buchstäblich mein Weihnachten gerettet.

Einige Wochen später hatte ich einen ähnlichen Traum. Dieses Mal hing die Jacke nicht über Kopf, sondern auf meinen nach hinten ausgestreckten Armen fest und wieder trat ein – allerdings nur schwacherSchwindel auf.

Nun wusste ich ja, was zu tun war: die Jacke habe ich mit bewussten Bewegungen ausgezogen und kleine Schüttelimpulse meines Körpers zugelassen. Der Schwindel ließ im Laufe des Tages nach.

In einem dritten Traum, wieder eine Weile später, gelang es mir die Jacke auszuziehen. Schwindel hatte ich seitdem keinen mehr.

Autonomes Nervensystem: unvollendete Stressreaktion und Trauma

Dein Nervensystem reagiert ständig auf Reize von innen oder außen und überprüft sie auf potentielle Gefahr. Sobald etwas als bedrohlich einschätzt wird, reagiert dein Körper darauf mit einer Stressreaktion. Dabei versorgt er dich mit zusätzlicher Energie, mit Überlebensenergie. Das macht total Sinn, denn wenn du vor dem berühmen Säbelzahntiger stehst, erhöhen sich deine Überlebenschancen deutlich, wenn du schnell weglaufen oder kraftvoll kämpfen kannst.

Diese Überlebensenergie verbrauchst du durch Bewegung, durch Muskelaktivität. Das setzt Feedbackmechanismen in Gang, die wiederum deinem Gehirn mitteilen, dass du die Gefahr bewältigt hast, damit dein Körper wieder zur Ruhe kommen kann. Dieser natürliche, biologische Kreislauf verläuft unwillkürlich, ohne Zutun deinerseits.

Geschieht das nicht, bleibt auf der biologischen Ebene etwas unvollendet und daraus kann sich ein Trauma entwickeln. Natürlich versteht du kognitiv, dass die bedrohliche Situation vorüber ist, nur dein Körper kommt nicht hinterher. Dein Reptiliengehirn versteht kein logisches Denken, du kannst aber über die Arbeit mit Körperempfindungen und Bewegung mit ihm kommunizieren.

Fazit: Heilung durch Vervollständigung der Stressreaktion und Entladung gespeicherter Stressenergie

Womit diese Träume in Verbindung standen, weiß ich nicht. Dennoch fasziniert mich an diesem Beispiel mehreres:

  • Ich war und bin sehr dankbar, dass ich diesen Schwindel so schnell wieder losgeworden bin und dass ich unbeschwert Weihnachten feiern konnte.
  • Es war sehr eindrücklich für mich, am eigenen Körper zu erfahren, wie sich Vervollständigung und Entladung anfühlen.
  • Das Prinzip und die heilsame Wirkung von Vervollständigung und Entladung, werden an diesem Beispiel so deutlich. Durch das nachträgliche, simulierte Ausziehen der Jacke hat mein Körper verstanden, dass ich nicht länger in dieser Jacke feststecke.

In der Praxis sind die Themen natürlich oft komplexer und es gibt nicht unbedingt so eine gradlinige und eindeutige Verbindung zwischen Ursache und Symptom. In körpertherapeutischen Ansätzen, die die Reaktion deines autonomen Nervensystems einbeziehen, ist es jedoch ein Grundgedanke der Arbeit, dass immer etwas unvollendet geblieben ist. Was kannst du heute tun, was damals nicht möglich war?

Welche belastenden Erfahrungen möchtest du verarbeiten? Wenn du dich fragst, ob ich dir dabei helfen könnte, buch gerne deinen kostenlosen und unverbindlichen Kennenlerntermin.

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Stefanie Wittiber-Schmidt

Heilpraktikerin, Somatic Experiencing, Rolfing Strukturelle Integration, Integrale Somatische Psychologie

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