Heute vor 80 Jahren endete der zweite Weltkrieg! Gestern las ich in der FAZ ein Interview mit der Journalistin Sabine Bode. Frau Bode ist die Autorin von „Die vergessene Generation. Die Kriegskinder brechen ihr Schweigen“ und „Kriegsenkel. Die Erben der vergessenen Generation“.
Vor allem ihr 2004 (!) erschienenes Buch über die Kriegskinder, das sind die zwischen 1930 und 1945 Geborenen, trug dazu bei, das Leid dieser Kinder und die traumatischen Folgen ihrer Kriegserfahrungen in eine breite Öffentlichkeit zu bringen.
Über Jahrzehnte hinweg, war dies kein Thema. Weder in der öffentlichen Diskussion noch von den Betroffenen selbst. Den meisten war nicht einmal klar, dass sie traumatisiert waren.
Trauma – ein Tabu in Deutschland
Ich erinnere mich an einem Online-Vortrag von Dr. Arne Hofmann, Gründer des EMDR Instituts in Deutschland. Er erzählte, wie er Anfang der 90-iger Jahre einen EMDR-Workshop in Deutschland organisieren wollte, um seinen deutschen KollegInnen diese, damals neue, Methode der Traumatherapie vorzustellen. Leider kam der Workshop nicht zustande, weil die überwiegende Meinung war, in Deutschland gäbe es kein Trauma! Das ist ein ganz schön dicker blinder Fleck!
Viele Menschen, mit denen Frau Bode gesprochen hatte, spielten ihre Erlebnisse runter: „Ach, das bisschen Krieg ….Unsere Eltern, ja, die hatten Schlimmes erlebt. Aber wir doch nicht! Wir waren Kinder. Für uns war das normal:“ Die Strategie, all den Schrecken zu überleben, waren emotionale Betäubung und Verdrängung.
Sabine Bode spricht von dem „falschen Selbstbild“ vieler erwachsener Kriegskinder, „die fest daran glauben, dass der Krieg ihnen nicht geschadet hat.“
Transgenerationale Weitergabe von Trauma
Sie hatten keinen emotionalen Zugang zu dem, was sie in der Kindheit geprägt hatte, und ahnten nicht, wie sehr es ihr weiteres Leben bestimmte.
Sabine Bode
Vor allem der zweite Teil des Satzes enthält für mich eine große Tragik, denn Traumata werden transgenerational weitergegeben. Kinder, die von emotional betäubten Eltern erzogen werden, können keine sicheren Bindungserfahrungen machen, die so wichtig sind, für die Entwicklung eines gesunden Selbstbewusstseins. In ihrem Buch über die Kriegsenkel, ca. die zwischen 1950 und 1975 Geborenen, greift Sabine Bode Schicksale dieser Generation auf.
Zu den Kriegsenkelinnen zähle auch ich und ich beschäftige mich schon länger mit der Frage, welche Auswirkungen dieser Umstand für mich persönlich hat. Meine Eltern waren nicht lieblos, aber angepaßt, übervorsichtig und sehr auf Sicherheit bedacht.
Selbst wenn wir Menschen als Babys und Kleinkinder eine relativ unterstützende elterliche Fürsorge erfahren haben, übernehmen wir den Stress, den die Eltern vor unserer Empfängnis erlebt haben.
Mark Wolynn
Selbstmitgefühl heilt Scham und Schuldgefühle
Familiengeheimnisse, Scham und Schuldgefühle sowie eine Strenge gegen sich selbst „stell dich nicht so an“, haben den Kriegskindern den Zugang zum eigenen Leid lange unmöglich gemacht. Erst im Alter konnten einige ihre Traumata aufarbeiten, andere nie.
„Wer nicht fühlt, kann nicht trauern.“ sagt Sabine Bode dazu. „Ohne Mitgefühl für sich selbst können Menschen schwere Verluste nicht verarbeiten.“
Traumata können überwunden werden
Sabine Bode äußert im Interview die Hoffnung, dass für die Kinder in der Ukraine und Gaza, wenn dort endlich Frieden sein wird, aufgrund des heutigen Wissens über Trauma und Heilung, ein anderer, hilfreicher Umgang mit dem erlebten Schrecken möglich sein wird. Dem schließe ich mich an und möchte alle Kinder weltweit, die unter Gewalt und Krieg leiden müssen, einschließen.
Die Weitergabe von Traumata hört nicht nach einer Generation auf. Ich bin überzeugt, dass es sich lohnt, die eigenen Themen aufzuarbeiten. Um sie nicht weiterzugeben, als Gesundheitsprävention und für ein selbstbestimmtes Leben!
Wenn du möchtest, begleite ich dich gerne auf diesem Weg. Hier kannst du deinen unverbindlichen Kennenlerntermin buchen.