Fühlt es sich so an, als hätte deine Angst dich völlig im Griff? Fragst du dich, was du tun kannst gegen deine Ängste?
In diesem Blogbeitrag findest du sowohl somatische Tipps, die dir in akuten Angstmomenten helfen können, also auch Anregungen für einen grundsätzlichen Umgang mit deinen Ängsten. Ich würde mich freuen, wenn einige meiner Vorschläge dir helfen können, deiner Angst anders zu begegnen und dich weniger ausgeliefert zu fühlen.
Ich selbst hatte lange Zeit Angst vor Vorträgen. Vor vielen Jahren, im Englisch-Unterricht, versagte mir beim Vorlesen die Stimme. Mir war das furchtbar peinlich und die Angst, das könne wieder passieren, hat mich lange begleitet. Natürlich ist es wieder passiert. Diese Angst vor der Angst hielt den Kreislauf aufrecht.
Als körperorientierte Therapeutin liegt der Schwerpunkt meiner Arbeit heute darin, meinen KlientInnen zu unterstützen, bewusst verkörperte Momente von Sicherheit zu erleben und die Kapazität des Körpers, mit der Angst zu sein, zu erweitern.
Wie wirst du Ängste los?
Paradoxerweise wirst du deine Ängste am besten los, wenn du sie nicht los werden möchtest! Je dringlicher dein Wunsch ist, sie loszuwerden, desto mehr kreisen deine Gedanken um diese Ängste, desto mehr beherrschen sie dein Leben. Du beobachtest dich akribisch, um erste Anzeichen zu erkennen und bist nur noch damit beschäftigt. Das bringt deinen Körper immer weiter in eine Alarmierung und kurbelt die Angstspirale an.
Annehmen und akzeptieren, dass Ängste da sind, nimmt Druck raus. Da ist plötzlich wieder Raum, deinen Fokus zu verlagern und dich mit anderen Dingen zu beschäftigen. Das ermöglicht dir auch, dir zu erlauben, etwas mit Angst zu tun. Du bist nicht mehr so stark darauf angewiesen, dass sie endlich weg ist, um dein Leben zu leben. Loslassen lädt Beruhigung ein.
Meine Stunde der Wahrheit schlug vor einigen Jahren, als meine damalige Kollegin anlässlich unserer Praxiseröffnung ganz selbstverständlich sagte: dann halten wir jede einen Vortrag! Ups!
Damals gönnte ich mir ein paar Stunden Sprechtraining. Das hat mir geholfen, mich sicherer zu fühlen. Nur unser Hund hatte darunter zu leiden, bestimmte Tonfolgen waren wohl nichts für seine Ohren 😊. Natürlich war ich trotzdem aufgeregt und hinterher sehr erleichtert, dass es gut geklappt hat. Es hat mir sogar Spaß gemacht! Seitdem habe ich, immer noch mit Lampenfieber, aber auch mit Freude, mehrere Vorträge flüssig halten können.

Heute sitzt dieses Teufelchen „es könnte wieder passieren“ zwar noch in einer kleinen Ecke meines Gehirns, es schreckt mich aber nicht mehr sehr. Selbst wenn es so käme, wäre mir das heute nicht mehr so unangenehm. Das heißt, die Angst vor der Angst ist nicht mehr da und das fühlt sich sehr befreiend an.
Was tun gegen Ängste?
Ängste können nachlassen, wenn nicht nur dein Gehirn, sondern auch dein Körper versteht, dass du im Hier und Jetzt sicher bist.
- Dein Verstand hilft dir, Ursachen und Zusammenhänge zu erkennen und Bewältigungsstrategien zu entwickeln. In der Therapie spricht man hier auch von einem Top-down Ansatz, quasi von oben (Kopf) nach unten in den Körper. Durch kognitive Aha-Momente und Strategien fühlst du dich weniger hilflos. Sie tragen zur Entspannung bei und bewirken so eine Veränderung im Körper und auf der Gefühlsebene. Verstehen gibt Orientierung, und Orientierung vermittelt deinem Nervensystem Sicherheit.
- Verstehen alleine reicht oft nicht aus. Bei sehr großem Stress ist dein Verstand sogar in gewisser Weise offline. Dein Körper reagiert instinktiv und automatisch. Hier helfen somatische (Soma = Körper) Techniken, die direkt dein Reptiliengehirn erreichen. 15 Tipps dazu findest du im nächsten Absatz.
- Auch langfristig sind körperorientierte, sogenannte bottom-up-Ansätze hilfreich. Diese somatischen Ansätze kommunizieren über Körperempfindungen mit deinem Reptiliengehirn und führen zur Beruhigung deines autonomen Nervensystems. Diese Beruhigung im Körper verändert wiederum Emotionen und Gedanken.
15 somatische Tipps, die dir bei akuter Angst und Panik helfen
- Verlängere deine Ausatmung: z. B. zähl bis 4 beim Einatmen und bis 8 beim Ausatmen
- Puste beim Ausatmen die Luft wie durch einen Strohhalm aus.
- Orientier dich im Raum und dreh deinen Kopf von rechts nach links; schau dich bewusst um.
- Nutze verschiedene Sinneseindrücke, um im Hier um Jetzt zu bleiben: sehen, hören, riechen, spüren, tasten!
- Was siehst du? Zähl für dich selbst auf, was du siehst, so detailliert wie möglich: einen Tisch, eine Tischdecke, eine Vase, einen Schrank, ein Auto usw.
- Was hörst du? Musik? Verkehrslärm? Vorgelgezwitscher? Stimmen? Zähle auf, was du alles hörst.
- Was riechst du? Orangen? Parfüm? Halte evtl. ein Duftöl bereit.
- Was spürst du? z. B. kaltes Wasser, halte deine Hände unter den Wasserhahn oder spritz dir kaltes Wasser ins Gesicht
- Nimm einen Noppenball in die Hand, öffne und schließe deine Hand und spüre wie sich die Noppen leicht in die Handfläche drücken.
- Was schmeckst du? Es gibt z. B. Chili-Gummibärchen, die du dir für den Notfall bereit legen kannst
- Klopf deine Arme und Beine ab und spüre deinen Körper.
- Beweg dich: tanzen, hüpfen, schütteln
- Sing laut deine Lieblingssongs
- Drück deine Angst verbal aus, d. h. durch laute Töne: uahhhh
- Drück deine Angst mimisch aus und schneide Grimassen
16 Grundlegende Gedanken und Erkenntnisse, die bei Angst helfen
Falls du es noch nicht gemacht hast: lass dich auf jeden Fall beim Arzt durchchecken, um organische Erkrankungen auszuschließen. Herzrasen, Zittern, Schwindel oder Schweißausbrüche fühlen sich sehr bedrohlich an. Wenn du abgeklärt hast, dass organisch alles in Ordnung ist, hilft dir das, dich von diesen körperlichen Symptomen nicht noch mehr in die Angstspirale treiben zu lassen.
- Mach dir klar, dass Symptome wie Herzrasen, Zittern, Schwindel, Schweißausbrüche oder Magen- /Darmprobleme die normale Folge einer starken Stressreaktion sind.
- Mach einen Realitätscheck: Besteht im Hier und Jetzt eine Bedrohung?
- Identifizier dich nicht mit der Angst: erzähl dir nicht selber „Ich habe Angst“, sondern sag „da ist gerade Angst“ oder „das sind Angstsymptome“. Damit bringst du eine Distanz zwischen dich und die Angst und versinkst nicht in ihr. Spürst du den Unterschied?
- Mach dir immer wieder bewusst, dass Angst nicht gefährlich ist, sondern nur eine Emotion. Emotionen gehen vorüber. Die Angst geht vorüber, auch wenn es sich gerade furchtbar anfühlt
- Achte darauf, wie deine Gedanken deine Angst füttern: kreisen sie um Vergangenes oder sorgst du dich um Zukünftiges? Durch welche Gedanken werden deine Ängste ausgelöst?
- Glaub nicht alles was du denkst!
- Gedanken umformulieren: statt „das wird nie besser“ sag dir „ich denke, dass es nie besser wird“ oder „ich habe den Gedanken, dass es nie besser wird“. Kannst du wahrnehmen, dass das einen Unterschied macht? Gedanken sind keine Wahrheiten.
- Überprüfe deine Bewertung! Wie und was denkst du über die Angst? Ist sie ein leidiges Übel und du möchstest sei einfach nur loswerden? Oder kannst du vielleicht anfangen zu verstehen, dass eine gute Absicht hinter der Angst steckt?
- Dein Körper möchte dich schützen und ist nicht gegen dich, auch wenn sich das so anfühlen mag.
- Angst vor der Angst verstärkt deine Symptome. Versuche so weit es geht zu aktzeptieren, dass gerade Angst da ist.
- Gegen die Angst anzukämpfen erhöht den Stress im Körper.
- Dein Körper möchte dir etwas mitteilen. Er fühlt sich erst recht bedroht, wenn du seine Warnungen ignorierst und legt dann womöglich noch ein Schippchen drauf.
- Für dein autonomes Nervensystem geht es immer nur um dein Überleben, nicht darum, dass du glücklich bist.
- Offen über deine Gefühle zu sprechen und erkennen, dass es anderen oft ähnlich geht, erschafft Verbundenheit.
- Bei sehr starken Ängsten oder gar Panikattacken hast du keinen Zugriff mehr auf deinen Verstand. Deshalb schreib dir hilfreiche Techniken / Tools auf einen Zettel, damit sie dir im Notfall zur Verfügung stehen.
- Sprich mit deiner PartnerIn, Familie / Freunde darüber, was sie sagen oder wie sie dich unterstützen können: z. B. „das ist jetzt eine Panikattacke, die geht vorüber“ oder „atme langsam aus“. Oft sind Angehörige überfordert und ihr Stress verstärkt wiederum deine Ängste.
12 Körpertherapeutische Herangehensweisen, die bei Angst und Panik helfen
Über Körperempfindungen kannst du dein Reptiliengehirn und dein autonomes Nervensystem erreichen. Vielen Menschen fälllt es nicht leicht, den Körper zu spüren, sei geduldig mit dir.

- Erlaub dir, deine Gefühle zu fühlen und deinen Körper zu spüren
- Achte bewusst auf angenehme Momente (Vogelgezwitscher, eine leckere Tasse Kaffee, ein freundliches Gespräch). Wie fühlt sich dein Körper jetzt an? Nimmst du wahr, dass die innere Anspannung ein wenig nachläßt?
- Erlaub dir, auch deine Angst einen Moment lang zu fühlen. Versuch sie nicht sofort wegzudrücken oder dich abzulenken. Erinnere dich daran, dass Angst nur ein Gefühl ist und wieder weggeht. Die Angst an sich ist nicht gefährlich.
- Spüre nach, wie du sie in deinem Körper erlebst: z. B. flacher Atem, Druck auf der Brust etc.
- Wenn es nicht zu herausfordernd ist, dann bleib einen Augenblick bei diesen körperlichen Empfindungen von Enge oder Druck. Vergiss nicht, es ist nur eine körperliche Reaktion auf Stress, keine physische Erkrankung.
- Leg gerne eine Hand auf deine Brust und eine Hand auf deinen Bauch, um dich bei dieser Erkundung zu unterstützen.
- Bewerte die Empfindungen nicht, sondern beobachte sie mit Neugier. Was bemerkst du als nächstes? Verändert sich die Intensität? Spürst du den Druck an einer anderen Stell?
- Nimm bewusst wahr, dass und wie sich die körperlichen Empfindungen nach kurzer Zeit wieder verändern.
- Feiere dich für Erfolge und Verbesserungen, auch wenn sie nur klein erscheinen und lass dich auch diese körperlich wahrnehmen.
- Richte dich immer mal wieder bewusst auf, lass deine Schultern sich ablegen und spür den Kontakt deiner Füße zum Boden. Eine aufgerichtete Körperhaltung vermittelt deinem Gehirn Präsenz und Sicherheit.
- Berührung beruhigt das Nervensystem. Du kannst dir selbst die Hände z. B. auf Brust und Bauch legen oder an die jeweils gegenseitigen Oberarme, als wolltest du dich selbst umarmen. Wie fühlst du dich dabei? Denk an Miley Cyrus: I can hold my own hand!
- Dein Nervensystem kommuniziert mit anderen Nervensystemen. Kontakt mit Menschen, die dir gut tun, gibt Sicherheit.
Fazit: Du kannst etwas tun gegen deine Ängste!
Ängste lassen sich leider nicht mal eben abstellen. Es kann jedoch deinen Leidensdruck lindern und wieder mehr Lebensfreude einladen, aus einer anderen Perspektive auf deine Ängste zu schauen. Nicht länger gegen sie anzukämpfen, sondern zu lernen, sie anzunehmen. Das klingt paradox, ist aber wahr. What you resist persists. Was du ablehnst, bleibt bestehen.
Meine Herzensempfehlung ist, für dein Nervensystem du sorgen, indem du dich immer wieder kleine Momente von Sicherheit bewusst körperlich spüren lässt. Diese kleinen Momente können sich addieren und zu einem vertieften Gefühl von Sicherheit entwickeln. Damit fütterst du das innere Heilungsbestreben deines Körpers.
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