Deine eigenen Emotionen verstehen und selbstbestimmt leben

Deine Emotionen spiegeln, wie sich eine Situation auf dein Wohlbefinden auswirkt. Sie zu unterdrücken, führt langfristig zu körperlichen und seelischen Symptomen.

Wie ist dein Verhältnis zu deinen Emotionen? Verstehst du, was sie dir sagen wollen? Lässt du schwierige Gefühle zu, oder lenkst du dich lieber ab und scrollst durch die sozialen Medien oder gehst an den Kühlschrank?

Vielleicht fällt es dir auch sehr schwer, deine Emotionen überhaupt wahrzunehmen? Dies ist oft die Folge, wenn du als Kind lernen musstest, dass deine Emotionen nicht wichtig und nicht erwünscht sind.

Eine Klientin sagte mir einmal, Emotionen seien ihrer Ansicht nach überflüssig. Sie verleiteten sie nur dazu, etwas zu kaufen, was sie gar nicht brauche. Ihre Mutter habe auch keine Emotionen gehabt und sei damit gut klar gekommen. Die Mutter dieser Klientin ist während des Krieges als Kind mit ihrer Mutter aus dem Osten geflüchtet. Gibt es eine wirkungsvollere Strategie diese schlimme Erfahrung zu überleben, als die eigenen Gefühle zu unterdrücken? Aber – ist diese Strategie auch noch sinnvoll, wenn die Lebensumstände andere sind? Welchen Einfluss hat es auf Kinder, wenn diese Strategie weitergegeben wird?

Menschen habe immer Emotionen und jede Emotion enthält eine Botschaft. Angst verhindert, dass du dich einer Gefahr aussetzt. Einsamkeit lässt dich Kontakt zu anderen suchen. Deine Emotionen sind wie ein Kompass. Sie zu fühlen und mit dem darin enthaltenen Wissen in Kontakt zu kommen, kann viele positive Auswirkungen auf dein Leben haben: auf Entscheidungen, die du triffst, auf deine Beziehungen und nicht zuletzt auf die Linderung von Symptomen. Bist du im Kontakt mit deinen Emotionen, dann bist du im Kontakt mit dir selbst.

In diesem Artikel erfährst du was eine Emotion ist, welche es gibt und wieso Emotionen wichtig sind. Ich erzähle, wie du im Idealfall in deiner Kindheit lernst, Emotionen zu verstehen und mit ihnen umzugehen.

Da Gefühle und Emotionen umgangssprachlich synonym verwendet werden, halte ich es hier ebenso.

Was sind Emotionen?

Emotionen sind das Ergebnis deiner Einschätzung, wie sich eine Situation auf dein Wohlbefinden auswirkt. Du triffst hier keine bewusste kognitive Entscheidung. Dein autonomes Nervensystem nimmt diese Einschätzung „eigenmächtig“ vor und gleicht dabei aktuelle Ereignisse mit früheren Erfahrungen ab. Daher kann es sein, dass das, was du über eine Situation denkst, nicht unbedingt übereinstimmt mit dem, was du innerlich fühlst.

Das bedeutet auch, du hast ständig Emotionen. Die spannende Frage ist: bist du dir ihrer bewusst? Oder tendierst du eher dazu, sie zu ignorieren und dich abzulenken, um sie nicht fühlen zu müssen?

Welche Emotionen gibt es?

Je nach Theorie und Forschungsansatz wird zwischen primären und sekundären Emotionen unterschieden. Primär deshalb, weil sie kulturübergreifend zu finden sind und sich in einem bestimmten Gesichtsausdruck manifestieren.

Primäre Gefühle

  • Freude
  • Traurigkeit
  • Angst
  • Ärger / Wut
  • Ekel
  • Überraschung

Weitere, sogenannte sekundäre Gefühle

  • Hoffnung
  • Neid
  • Eifersucht
  • Scham
  • Schuld
  • Einsamkeit
  • Hilflosigkeit
  • Überforderung
  • sich gut oder schlecht fühlen
  • eine unerträgliche Leere spüren
  • überwältigt sein

Es gibt Erklärungsmodelle, die besagen, sekundäre Emotionen seien eine Kombination primärer Emotionen, so, wie du das von Farben kennst.

Gibt es wirklich negative und positive Emotionen?

Mir persönlich gefällt diese Unterteilung nicht. Jede Emotion ist wichtig, weil sie eine Information für dich hat! Natürlich sind Emotionen wie Angst oder Traurigkeit schwieriger zu tolerieren als Freude oder Hoffnung, aber damit sind sie nicht negativ im eigentlichen Wortsinn.

Jede Emotion ist von Bedeutung: Angst warnt dich vor Gefahr, Wut hilft dir Grenzen zu setzen, Ekel verhindert, dass du Ungenießbares zu dir nimmst. Trauer ist wichtig, um einen Verlust zu verarbeiten. Überforderung ermöglicht dir, Unterstützung zu organisieren.

Keiner von uns möchte leiden. Freud nannte das das Lustprinzip. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass du schwierige Emotionen nicht unbedingt mit offenen Armen willkommen heißt, obwohl das tatsächlich eine gute Idee wäre. Im Allgemeinen ist es leichter sie zu ignorieren, zu verdrängen und dich abzulenken. Nur leider ist es ein Irrtum zu glauben, damit seist du sie los.

Hast du gelernt, deine Emotionen zu verstehen?

Im Idealfall lernst du von deinen Eltern, Emotionen zu verstehen und dass sie da sein dürfen. Du entwickelst dadurch ein Vertrauen, mit deinen Empfindungen richtig zu sein.

Wenn dich andere Kinder nicht mitspielen lassen und du weinst, und deine Mutter beispielsweise liebevoll sagt: „Du bist traurig, weil du nicht mitspielen darfst. Das verstehe ich.“ Oder du hast dich auf einen Ausflug gefreut, aber es kommt etwas dazwischen. Dein Vater sagt dann vielleicht: „Ich verstehe, dass du enttäuscht bist, wir holen das nach.“ Als Kind lernst du, „Aha, so fühlt sich Traurigkeit an“ und „So fühlt sich Enttäuschung an.

Gleichzeitig lernst du dadurch

  • deine Reaktion ist angemessen und richtig
  • du bist berechtigt, deine Gefühle zu zeigen und auszudrücken
  • du bist richtig

Leider ist die Realität häufig eine andere. Viele Eltern haben wenig Zugang zu ihren eigenen Gefühlen und sind überfordert mit deinen.

Tatsächlich werfen auch hier der letzte Weltkrieg und die sogenannte „schwarze Erziehung“ ihre langen Schatten: Man solle Kinder nicht verwöhnen, Babys schreien lassen. Das Buch von Johanna Haarer „Die Mutter und ihr erstes Kind“ mit diesen und ähnlich lieblosen, ich möchte fast sagen zerstörerischen „Ratschlägen“, wurde in der NS-Zeit und danach noch bis in die 70er Jahre hinein verlegt. Unglaublich!

Emotionen nicht fühlen als Schutz- und Überlebensstrategie

Erlaubst du dir, deine Emotionen zu fühlen oder neigst du dazu, sie beiseite zu schieben? Letzteres kann sinnvoll sein, weil du beispielsweise in der Öffentlichkeit nicht in Tränen ausbrechen möchtest. Oft jedoch geschieht dies jedoch unbewusst. Du nimmst gar nicht unbedingt wahr, dass da gerade eine innere Unruhe oder eine Anspannung in dir ist. Oder vielleicht nimmst du sie wahr, weißt aber nicht, was genau es damit auf sich hat und wie du damit gut umgehen kannst. Stattdessen greifst du zum Handy und lenkst dich ab, stürzt dich in die Arbeit oder beruhigst dich mit Essen.

Bereits als Kind lernst du, ob deine Gefühle willkommen sind, oder nicht. Wie war der Umgang mit Emotionen in deiner Familie?

  • Konnten deine Eltern ihre Gefühle zeigen und darüber sprechen?
  • Haben sie Verantwortung für ihre eigenen Emotionen übernommen?
  • Haben sie deine Gefühle ernst genommen?
  • Haben sie dir die Schuld für ihr Verhalten gegeben, indem sie dir vorwarfen, zu laut, zu anstrengend oder zu empfindlich zu sein?
  • Hast du dich oft beschämt gefühlt?
  • Musstest du alleine mit deinen Gefühlen klarkommen? Oder wurdest du getröstet?
  • Hast du erfahren, dass deine Emotionen eine Berechtigung haben?
  • Hast du lernen dürfen, dass Gefühle kommen und gehen und nicht ausagiert werden müssen?

Als Baby und als Kind folgst du einem zwingenden inneren Impuls, um jeden Preis die Bindung zu erhalten. Ohne Bindung zu einem Erwachsenen kannst du nicht überleben. Bist du als Kind mit deinen Gefühlen nicht willkommen, unterdrückst du sie. Manchmal vergräbst du sie so tief in dir, dass du selbst keinen Zugang mehr dazu hast, auch später nicht als Erwachsene.

Das ist eine Traumareaktion. Ein Schutzmechanismus aus Angst, die Bindung zu verlieren und nicht richtig zu sein. Ein Schutzmechanismus, um nicht spüren zu müssen, wie weh es tut, nicht gesehen und liebevoll gehalten worden zu sein.

Emotionen zulassen und selbstbestimmt leben

Deine Emotionen sind da, auch dann, wenn du sie nicht fühlen kannst oder möchtest. In dem Fall mischen sie im Untergrund mit. Sie beeinflussen deine Beziehungen, wie du mit Herausforderungen umgehst und überhaupt, welchen Blick du auf die Welt hast. Je nachdem, ob du überwiegend fröhlich, traurig oder sauer bist, denkst du anders über Menschen und Begebenheiten und verhältst dich anders.

Vielleicht reibst du dich auf in dem Versuch, es anderen recht zu machen? Zu der Wut, die darunter liegt, hast du keinen Zugang, weil du nie gelernt hast, deinen Ärger zu spüren und Grenzen zu setzen. Oder du wirst schnell genervt und wütend und es ist dir gar nicht klar, dass eigentlich eine alte Angst nicht zu genügen dahinter steht?

Unterdrückst du dauerhaft deine Gefühle, können körperliche oder seelische Symptome wie Schmerzen oder Magen- / Darmerkrankungen die Folge sein.

Emotionen zu erkennen und zuzulassen hilft dir, ein authentisches Leben im Einklang mit deinen Bedürfnissen zu leben.

Es gibt diese schöne Metapher von dem Reiter – das bist du – und seinem Pferd – das sind deine Emotionen. Die Frage ist: Reitest du das Pferd oder reitet das Pferd dich? Wer von euch beiden hat die Zügel in der Hand?

Schimmelreiter, Hans-Jürgen Geyer: Metapher für Pferd (Emotionen) und Reiter
Wer hat die Zügel in der Hand? Der Reiter oder das Pferd?

In Kontakt mit unangenehmen Emotionen zu kommen ist schwer, weil so viel Schmerz damit verbunden ist. Aber wenn du lernst mit ihnen zu sein, ohne dass du dabei den Boden unter den Füßen verlierst, hilft dir das, die Kontrolle über dein Leben zurückzubekommen. Du wirst wieder Reiter und gibst die Richtung vor.

Fazit: Emotionen verstehen für mehr Selbstbestimmung

Kränkende Bemerkungen weglächeln und people pleasing, also das Wohlbefinden anderer über dein eigenes stellen, macht dich auf Dauer krank. Vor dir selbst zuzugeben, dass dich etwas sehr verletzt oder sehr wütend gemacht hat, ist der erste Schritt in Richtung Veränderung.

Emotionen haben einen Sinn und eine Botschaft, die gehört werden will. Unterdrückte Gefühle lösen sich nicht von alleine auf, im Gegenteil. Langfristig können sie dich krank machen, wenn du gegen deine eigene Wahrheit lebst. Deine Emotionen zu fühlen gibt dir Klarheit über das, was dir im Leben wichtig ist, wo deine Grenzen sind und was du tun kannst, um dein Leben nach deinen Vorstellungen und Werten zu leben.

Hast du dazu Fragen? Vereinbare gerne dein kostenloses Kennenlerngespräch! Ich freue mich darauf, dich kennenzulernen.

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Stefanie Wittiber-Schmidt

Heilpraktikerin, Somatic Experiencing, Rolfing Strukturelle Integration, Integrale Somatische Psychologie

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2 Kommentare zu „Deine eigenen Emotionen verstehen und selbstbestimmt leben“

  1. Liebe Stefanie,
    ich mag das Thema sehr, denn es gehört zu uns Menschen dazu. Leider verstecken sich soviel Menschen und wollen da nicht hinsehen, wenn es um Wut, Trauer, Angst geht.
    Um so mehr wir darüber Bescheid wissen, um so besser können wir mit uns oder den Mitmenschen umgehen! Ich freue mich auf weitere Beiträge! ☀️❤️Liebe Grüße Sue

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