Was ist ein Entwicklungstrauma?

Ein Entwicklungstrauma entsteht, wenn ungute und belastende Erfahrungen in deiner Kindheit und Jugend, dein Nervensystem in einen chronischen Stress-Zustand versetzen.

Im Unterschied zu einem Schocktrauma, bei dem zu viel, zu schnell, zu plötzlich geschieht, geht es bei einem Entwicklungstrauma um „zu wenig für zu lange:“ Zu wenig von dem, was du brauchst, um dich sicher zu fühlen. Zu wenig Sicherheit heißt: zu wenig liebevoller, eingestimmter und zuverlässiger Kontakt, zu wenig Gesehen-Werden, zu wenig Bestätigung, richtig und gut zu sein und ein Anrecht auf eigene Bedürfnisse zu haben.

Als Kind musst du dich anpassen. Wenn du dich schützen musst, wenn kein Raum da ist für deine Emotionen und Bedürfnisse, dann lernst du sie zu unterdrücken. Du kannst nicht riskieren, die Bindung zu Eltern oder anderen Bezugspersonen zu verlieren und du hast keine Möglichkeiten, dich zu wehren oder zu entkommen. So wächst du heran und unterschwellige Gefühle von Bedrohung und Hilflosigkeit sind deine ständigen Begleiter.

Sicherheit und Geborgenheit sind Voraussetzungen für die Entwicklung der Selbstregulation und die Grundfeste der Resilienz.

Kathy L. Kain und Stephen J. Terrell

Natürlich gibt es Abstufungen in dem, was Kinder an Erziehungsmaßnahmen oder Übergriffen erleben mussten. Mir ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass auch Erfahrungen, die du vielleicht im ersten Moment gar nicht mal als soooo schlimm bewerten würdest, Spuren im kindlichen Nervensystem hinterlassen können.

Entwicklungstrauma und dein Nervensystem

Erst im jungen Erwachsenenalter ist dein Nervensystem ausgereift. Belastungen in den ersten Lebensjahren, aber ebenso in der Pubertät, treffen auf ein Nervensystem, das noch wenig Kapazität hat, mit Schwierigkeiten umzugehen und beeinflussen dessen Entwicklung. Das prägt dich.

Nun ist es leider so, dass sich dein Nervensystem nicht von alleine wieder beruhigt, wenn sich Umstände verändern oder du erwachsen geworden bist. Diese Mischung aus innerem Alarm und gleichzeitiger Lähmung wird zu deinem Dauerzustand und erhöht das Krankheitsrisiko im späteren Leben.

Mögliche Ursachen für ein Entwicklungstrauma

Für Entwicklungstrauma gibt es viele Ursachen. Es ist furchtbar, wenn Kinder körperliche Gewalt, sexuelle Übergriffe, emotionale Vernachlässigung oder emotionale Gewalt erleben müssen. Es sind aber nicht nur die ganz schrecklichen Dinge, die Kindern angetan werden, die ein Entwicklungstrauma zur Folge haben können.

Es gibt vieles, was für dich als Kind schlimm gewesen sein kann und chronischen oder traumatischen Stress ausgelöst hat:

  • ein Schicksalsschlag
  • Krankenhausaufenthalte
  • wenn ein Elternteil oder ein Geschwisterkind krank ist
  • Trennung der Eltern
  • wenn Eltern keine Zeit haben, sich angemessen zu kümmern
  • emotional nicht zugängliche oder traumatisierte Eltern
  • finanzielle Sorgen und Armut
  • Mobbing
  • deine Gefühle wurden abgewertet oder ignoriert
  • du wurdest überbehütet und nicht ermutigt, dich auszuprobieren
  • deine Eltern waren streng und haben Leistung eingefordert
  • du wurdest mit Liebesentzug bestraft (geh auf dein Zimmer)

Vor allem die in der Nachkriegszeit üblichen Erziehungsmethoden, die viele Menschen für angemessen und sinnvoll hielten, waren genau das nicht. Sie waren im Gegenteil geradezu lieblos bis grausam. Weil Eltern eingeredet wurde, man dürfe Kinder nicht verwöhnen, ließen sie ihre Babys schreien oder fütterten nur nach der Uhr. So ein kleines Menschlein hat null Kapazität, Unangenehmes wie Durst, Hunger, Kälte oder Schmerzen zu tolerieren. Babys hören nicht auf zu weinen, weil sie sich beruhigt haben. Sie hören auf zu weinen, weil sie resigniert haben.

Die Nachwirkungen dieser Erziehung, die nicht im Sinn hatte, Kinder zu selbstbewussten und starken Persönlichkeiten heranwachsen zu sehen, sind bis heute spürbar. Es geht hier weniger um Schuldzuweisungen. Viele Eltern liebten ihre Kinder. Leider vertrauten sie ihrem Bauchgefühl nicht und versuchten es „richtig“ zu machen.

Es geht um Anerkennung. Anerkennung, dass diese Erziehungsmethoden viel Leid verursacht haben und viele Menschen noch heute mit den Folgen zu kämpfen haben.

Der Neurobiologe Gerald Hüther schreibt in seinem Newsletter sehr deutlich, was er unter Kinderliebe versteht:

Kinderliebe ist das unbedingte Interesse an der Entfaltung eines jeden Kindes. Wenn das Kind dieses Interesse nicht spürt, ist es keine Liebe, und wenn es nicht selbst erlebt, wie ihm bei seiner Entfaltung Flügel wachsen und es sich immer mehr zutraut, ist es auch keine.

Symptome eines Entwicklungtraumas, mit denen Menschen in meine Praxis kommen

Es sind sowohl körperliche als auch seelische Folgen, die sich im Zusammenhang mit einem Entwicklungstraumas zeigen können. Oft summieren sich ungute Erfahrungen, bis es irgendwann nicht mehr aushaltbar ist oder körperliche Symptome sich manifestieren. Die Liste zeigt eine Auswahl an Themen, mit denen Menschen zu mir kommen:

  • du stehst ständig unter Strom und kommst nicht zur Ruhe
  • du hast das diffuse Gefühl, da sitzt was Tieferes
  • seelische Blockade
  • unsicheres Lebensgefühl
  • du leidest unter chronischen Schmerzen
  • du fühlst dich erschöpft bis hin zum Chronischen Erschöpfungssyndrom
  • Gefühle von innerer Leere
  • du fühlst dich falsch und nicht gut genug
  • es fällt dir schwer, Grenzen zu setzen und nein zu sagen
  • du leidest unter Ängsten und Panikattacken
  • Emotionen zu spüren fällt dir schwer
  • du nimmst deinen Körper nur wahr, wenn er weh tut
  • es fällt dir schwer, vertrauensvolle und sichere Beziehungen einzugehen

Du kannst dein Entwicklungstrauma heilen

Der Schlüssel zur Traumabewältigung ist nicht, das Trauma wieder zu erleben, sondern neue Erfahrungen im Körper zu schaffen.

Peter A. Levine

Körperorientierte Traumatherapien wie Somatic Experiencing oder Integrale Somatische Psychologie stellen Körperreaktionen und Bewegungsimpulse in den Vordergrund. Sie unterstützen deinen Körper, traumatischen Stress sanft zu entladen und mehr Toleranz für schwierge Emotionen zu entwickeln.

Wenn du lernst, deine Emotionen zu fühlen, ohne dass sie dich überwältigen, verlierst du die Angst davor. Das stärkt deine Handlungsfähigkeit und gibt dir Kontrolle zurück. Dein Nervensystem kommt wieder mehr in die Balance und Symptome können sich verändern oder ganz auflösen.

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Über mich

Ich helfe Menschen mit akuten und chronischen Schmerzen, einen liebevollen Zugang zu ihrem Körper zu finden und ihre Selbstwirksamkeit und Lebensfreude zurückzugewinnen. 

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Stefanie Wittiber-Schmidt

Heilpraktikerin, Somatic Experiencing, Rolfing Strukturelle Integration, Integrale Somatische Psychologie

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