Trauma im Körper auflösen: Ein Beispiel aus der Rolfing und Somatic Experiencing Praxis

Trauma wird im Körper gespeichert und kann im Körper aufgelöst werden. Schock- oder Entwicklungstrauma verändern dein autonomes Nervensystem, das in einer Stressreaktion hängen bleibt und nicht versteht, dass die Gefahr vorüber ist.

Das prägt nicht nur dein Verhalten, sondern ebenso deinen Körper: deine Körperhaltung und deine Bewegungen, deine Muskelspannung, deine Atmung, deinen Herzschlag, deine Verdauung und dein Immusystem. Kognitives Verstehen alleine reicht nicht aus, diese Veränderungen im Körper zu adressieren und aufzulösen.

Rolfing Strukturelle Integration und Somatic Experiencing (SE) sind jeweils eigenständige Therapieansätze, ergänzen sich jedoch wunderbar, um Veränderungen im Nervensystem zu bewirken.

In diesem Blogartikel möchte ich dir von einer kurzen SE Intervention im Rahmen einer Rolfing Serie erzählen, die beispielhaft einen Somatic Experiencing Ansatz verdeutlicht.

Problematik: Koordination einer bestimmten Bewegung

Meine Klientin kam zu mir, weil sie sich wünschte, beweglicher zu werden. Die klassische Rolfing 10er-Serie ist dazu perfekt geeignet, da freie Bewegungen eines der Kernthemen des Rolfing Prozesses sind. Wir Rolferinnen arbeiten dazu manuell mit den Faszien, die verkleben und Schmerzen verursachen können und die sehr viele Zellen des autonomen Nervensystems enthalten.

Im Laufe des Prozesses fiel auf, dass insbesondere eine bestimmte Bewegung für meine Klientin schwierig war: Es war ihr nicht möglich, im Stehen ihre abgewinkelten Arme (s. Bild), im Yoga spricht man auch von Kaktusarmen, hoch zur Decke zu strecken. Die gleiche Bewegung im Liegen auszuführen war kein Problem, auch wenn es sich für sie ruckelig anfühlte.

Damit war klar, dass es sich hier nicht um eine strukturelle Bewegungseinschränkung handelte, also beispielsweise eine fehlende Beweglichkeit im Schultergelenk. Die Schwierigkeit lag vielmehr darin, dass ihr Gehirn die entsprechende Muskulatur im Stand nicht ansteuern konnte.

Stefanie Wittiber-Schmidt mit seitlich abgewinkelten Armen

Trauma ist im Körper gespeichert

Meine Klientin war einverstanden, diese koordinative Blockade mit einer Intervention aus Somatic Experiencing zu erforschen.

Während sie auf dem Rücken auf der Behandlungsliege lag bat ich sie, ihre Arme in die Ausgangsposition zu bringen, von da aus langsam zu strecken und bewusst wahrzunehmen, wie sich die Ausführung der Bewegung in Rückenlage anfühle.

Danach fragte ich sie, was sie erlebe, wenn sie sich vorstelle, diese Bewegung im Stehen auszuführen? Welche Gedanken, Gefühle oder Körperempfindungen nehme sie wahr?

Nach einer kleinen Weile antwortete sie, sie empfinde Scham.

Die Scham saß zwischen ihrer Brustwirbelsäule und dem rechten Schulterblatt. Sie war schwarz und zäh. Ich bat sie, einen Augenblick mit dieser Emotion und dieser Körperempfindung in Verbindung zu bleiben und zu beobachten, was als nächstes geschehe.

Nach kurzer Zeit ließ die Scham nach, wurde grau und weniger zäh.

Trauma im Körper auflösen ist möglich

Als meine Klientin die Bewegung erneut im Liegen ausprobierte, fiel sie ihr leichter und wurde von ihr als fließender empfunden.

Natürlich waren wir beide gespannt, ob sich im Stehen ebenfalls etwas verändert hatte.

Die Klientin stellte sich mit abgewinkelten Armen hin und verharrte einen Moment. Zu ihrer Orientierung legte ich meine Fingerspitzen auf ihre Fingerspitzen, mit der Aufforderung diese wegzuschieben.

Ohne Zögern streckte die Klientin beide Arme Richtung Decke!

Manchmal passiert eine Veränderung ganz schnell!

Womit die Scham in Verbindung stand, haben wir in diesem Fall nicht weiter erforscht. Vermutlich hatte sie ihren Ursprung in Kindheitserfahrungen. Für die Ausführung der Bewegung war es nicht entscheidend, das weiter zu vertiefen.

Fazit: Trauma im Körper lösen mit Somatic Experiencing

In diesem Beispiel war die Bewegung gekoppelt an ein Gefühl von Scham. Durch das bewusste Erforschen der Situation „Was erleben Sie, wenn Sie sich vorstellen die Bewegung zu machen?“ konnte sich die Scham zeigen. Das Daseinlassen und Beobachten der Scham, ermöglichte die Veränderung und sorgte für ein Entkoppelung von Bewegung und Scham. Das ist ein Beispiel für die Arbeit mit Somatic Experiencing.

Dieses Beispiel zeigt, wie der Körper Trauma hält und dich in deiner Lebendigkeit einschränkt. Trauma entfremdet dich von deinem Körper und von deinen Emotionen. Vielen meiner KlientInnen fällt es sehr schwer, ihren Körper zu spüren und auch zu ihren Emotionen ist der Zugang schwierig. Das sind Schutzmechanismen, die hier greifen und die dich vor emotionalem Schmerz schützen möchten.

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Über mich

Ich helfe Menschen mit akuten und chronischen Schmerzen, einen liebevollen Zugang zu ihrem Körper zu finden und ihre Selbstwirksamkeit und Lebensfreude zurückzugewinnen. 

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Bild von Stefanie Wittiber-Schmidt

Stefanie Wittiber-Schmidt

Heilpraktikerin, Somatic Experiencing, Rolfing Strukturelle Integration, Integrale Somatische Psychologie

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